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Graz, eine Woche später

Aktualisiert: 24. Juli


Die Kerze der Trauer
Die Kerze der Trauer

Vor fast genau einer Woche geschah in Graz das Furchtbarste, was man sich als Elternteil überhaupt vorstellen kann. Ein 21-jähriger Ex-Schüler kam bewaffnet in seine ehemalige Schule, um dort einen Amoklauf mit anschließendem Suizid zu begehen. Man muss sich das einmal vorstellen! Sie wachen morgens auf, und denken sich: 'Heute ist es so weit. Ich gehe dort hin, baller ein paar Menschen ab, und zum Schluss erschieße ich mich selbst!'


Ich bin mir ziemlich sicher, dass es für manche Menschen nun schon wieder reicht, davon zu hören, aber in Wahrheit gibt es wichtige Fragen, für die wir endlich Antworten brauchen! Und während so mancher gefühllos mit den Augen rollt, so wird für andere der Schmerz nie enden.


Es ist natürlich nicht im Ansatz zu vergleichen, aber ich erinnere mich an den Tag, als meine Tochter vor ca drei Wochen kurz nach neun Uhr Vormittags anrief, um mir mitzuteilen, dass sie jetzt mit dem Moped nach Hause kommen würde, weil es eine Bombendrohung an ihrer Schule gab. Für einen Moment lang blieb die Welt um mich herum stehen, aber ich zwang mich dazu, nüchtern und klar zu bleiben. "Leider habe ich nur meinen Helm mit, sonst hätte ich meine Schwester gleich mitgenommen", sagte sie. Und weiter: "Mach dir keine Sorgen, Mama. Ich bin schon heraußen und das war sicher nur ein schlechter Scherz wegen der Matura", sah meine 17-Jährige das ganz pragmatisch und ebenfalls nüchtern. Und obwohl sich auch Töchterchen Nummer zwei nur wenige Minuten später bei mir meldete, um mitzuteilen, dass sie mit einem Rudel Mitschülerinnen, das in dieser Kürze leider keinen Elternteil erreichte, auf dem Weg nach Hause sei, stieg ein mulmiges Gefühl der Machtlosigkeit in mir auf. Aber wir alle hatten Glück, da es sich hierbei nur um einen geschmacklosen Streich handelte. Ganz anders war es vergangene Woche in jenem BORG, in dem ein 21-Jähriger einen tödlichen Racheakt verübte. Und seither brodelt die Gerüchteküche. Während viele Menschen für schärfere Waffengesetze sind, fordern andere Wachposten an Schulen. Doch ist das der richtige Ansatz? Oder sollten wir vielleicht einmal überlegen, wie es zu solchen Taten kommen kann? Werden Menschen schon "böse" geboren? Und was soll oder kann man machen, wenn man bemerkt, dass sich sein eigenes Kind plötzlich sehr verändert?


Es gibt Antidiskriminierungsstellen, Anlaufstellen für Mobbingopfer, Telefonseelsorge, Gewaltschutzzentren, an den Schulen wird zunehmend über all diese Themen gesprochen und aufgeklärt, aber im Fall von Arthur A. war all dies zu wenig. Von Anbeginn hieß es, er wäre selbst ein Mobbingopfer gewesen, später wurde veröffentlicht, dass der Junge im Internet radikalisiert worden sei. Auch hier frage ich mich, wie es in Zeiten der beinahe absoluten Überwachung sein kann, dass solche Gefahrenquellen nicht als solche erkannt und untersucht werden?! Man kann heute nicht einmal mehr über irgendetwas sprechen, ohne am nächsten Tag (überwiegend über Amazon) das dementsprechende Angebot zu erhalten. Und alle Fotos und sonstige Daten, die wir am Handy als sicher glauben, sind dies doch längst nicht mehr. Aber Menschen können über's Internet radikalisiert werden, ohne dass die Regierung oder sonstige Institutionen das bemerken??? Das ist für mich ein bisschen unglaubwürdig! Dasselbe gilt für online Schwarzmärkte, wo man sich illegale Waffen, Drogen, Medikamente und weiß der Kuckuck was noch beschaffen kann! Bitte wie kann es sein, dass ich hier auf meinem Blog, den vermutlich eh niemand liest, nicht einmal den Namen der Richterin nennen darf, die meinen Mann völlig zu Unrecht angespannt hat - da bekam ich gleich Besuch von der Polizei und ein Brieferl von der Oberstaatsanwaltschaft!!! - aber Jedermann, und ich bin mir sicher, auch jeder Jugendliche, kann sich online Waffen kaufen???!!! Wo geht das auf eine Kuhhaut??? Ich will nicht auf die Regierung schimpfen - wobei, Lobeshymne möchte ich jetzt auch keine auf sie singen - aber da gehört dringend etwas gemacht!


Und wenn wir schon bei Gesetzesnovellen sind: Brauchen wir wirklich das Gesetz, dass jeder Mensch hier bei uns (aber auch ganz generell überall auf der Welt) legal Waffen besitzen darf??? Wofür? Würden wir keine Waffen an den Otto-Normalverbraucher mehr verkaufen, und eventuell auch gleich die Schwarzmärkte auflösen, dann bräuchte sich auch niemand mehr vor einem bewaffneten Überfall fürchten, denn das ist ja angeblich der Grund, warum sich so viele Menschen Schusswaffen nach Hause holen. Nur bringt das zum eigenen Schutz eh überhaupt nichts, da man die Waffe und die Munition getrennt voneinander versperrt haben muss! Aber klar, wenn ein verständnisvoller Räuber zu euch ins Haus einsteigt, der kurz wartet, bis ihre eure Safes geöffnet und die Waffe geladen habt, dann könnte das unter Umständen schon funktionieren!

Auch Wachposten an Schulen (natürlich auch an Supermärkten und allen anderen Orten) bräuchte man dann nicht, denn wenn es keine Waffen mehr gäbe, dann bräuchte sich auch niemand mehr davor fürchten. Ja, ok, mit dem Schweizer Taschenmesser hätte Arthur dann noch immer die Schule stürmen können, aber ich wage zu bezweifeln, dass er damit allzu weit gekommen wäre.

Man muss doch nur mal logisch denken. Jeder Polizist und andere Mensch, der von Berufswegen her eine Waffe benötigt, der sollte sie zum Dienstantritt erhalten, aber zu Dienstende auch wieder abgeben. Und dasselbe sollte an Schießständen sein, wo Herr und Frau Österreicher einfach zum Spaß herumballern wollen. Sonderregelungen wird es sicherlich für Jäger und eventuell noch andere ähnliche Berufsgruppen brauchen, denn dieser will sich sein Gewehrt sicherlich nicht jedes Mal von irgendwo abholen, und wenn er das Bambi erlegt hat, wieder zurück bringen. Aber würde man sich darüber ein bisschen Gedanken machen, könnte man den Waffenbesitz für Herrn und Frau Gschistl komplett verbieten, und dann könnten auch diverse Unfälle nicht mehr passieren, weil die Polizistin versehentlich ihre Dienstwaffe zu Hause herumliegen ließ oder der Papa wieder einmal sein Gewehr nicht ordentlich versperrt hat nach dem elften Schnapserl.


Aber zurück zu Arthur. Es gäbe ein Abschiedsvideo, in dem der Amokläufer sich bei seiner Mutter bedankte und um Vergebung für die voranstehende Tat bat. Wie geht es wohl dieser Mutter? Die hat ja auch ihren Sohn verloren, aber nicht nur, denn er löschte auch das Leben zehn weiterer Menschen aus. Was mag hier wohl größer sein? Die unendliche Trauer über den Verlust des Sohnes, oder die Scham über die Tatsache, dass ihr Sohn zehn andere Menschen getötet hat? So wie so furchtbar. Diese Frau hat auf jeden Fall doppeltes Leid zu tragen. Und kann man ihr einen Vorwurf machen, dass ihr Sohn zu solch einem Täter wurde? Hat sie vielleicht ihren Teil dazu beigetragen, ihn vielleicht zu wenig geliebt, umsorgt, zu wenig mit ihm gesprochen, ihn zu selten in den Arm genommen? Irgendetwas muss doch schief gelaufen sein, oder?


Es liegt in uns Menschen, schnell ein Urteil zu fällen, das stammt noch aus den grauen Urzeiten. Da musste man binnen Sekundenbruchteilen entscheiden, ob das Gegenüber ein Freund oder ein Feind war. Hatte man sich verkalkuliert, verlor man mitunter sein Leben. Also schnell eine Meinung zu haben, ist nicht per sé etwas Schlechtes, aber auf den zweiten Blick ist nicht immer alles nur schwarz oder weiß. Ich kenne diese Familie nicht, und selbst wenn, wie es hinter verschlossenen Türen zugeht, weiß man doch so gut wie nie. Es ist also alles möglich. Die Wissenschaft ist sich nicht einig, ob man bereits mit "bösen Genen" geboren werden kann, aber es scheint nicht völlig ausgeschlossen zu sein. Was man jedenfalls schon sicher sagen kann, ist, dass sogar Babys ein gewisses Sozialverhalten an den Tag legen. Hatte also Arthur A. eine Genetik, die ihm zum Verhängnis wurde? Oder bekam er doch zu wenig Liebe und Mitgefühl von seiner Mutter und seinem direkten Umfeld ab? Die ganze Wahrheit werden wir vermutlich nicht mehr erfahren. Was wir allerdings sehr wohl erfahren haben, ist, dass dieser junge Mensch vom Militär abgelehnt wurde, weil er durch den psychologischen Test durchgefallen war. Ob das ein Indiz für ein "böses" Gen ist? Oder hatte dieser junge Mann das Pech, die falschen Hobbys gehabt zu haben - er soll Egoshooter Spiele gespielt haben - und dadurch eventuell auch ins falsche Klientel gerutscht ist? Dass solche Spiele Menschen abstumpfen lassen, glaube ich sofort, und auch hier gäbe es Handlungsbedarf! Muss man sowas auf den Markt bringen? Man könnte Egoshooter- und Konsorten per Gesetz verbieten, dann würde so manche Seele zumindest nicht weiter abstumpfen. Aber es gibt noch eine Frage, die sich mir stellt: Warum werden Menschen, die bei einem psychologischen Test, noch dazu beim Militär, durchfallen, nicht direkt bei einer entsprechenden Institution gemeldet und/oder vorgemerkt? Wenn man heute am Flughafen nur falsch schaut oder ein Tröpfchen Schweiß auf der Stirn hat, was bei hochsommerlichen Temperaturen, einem schnellen Schritt zum richtigen Gate und massig Gepäck durchaus mal passieren kann, wird man mitunter schon gefilzt, aber dort, wo es tatsächlich eine Veranlassung zur Sorge gäbe, da wird wieder nichts gemacht.


Es sind Fragen über Fragen. Und keine einzige Antwort wird das Leid der Hinterbliebenen all jener Opfer mildern. Aber würden wir endlich beginnen, die richtigen Fragen zu stellen, und vor allem auch die Antworten darauf zu bekommen und auch, dass die Regierung endlich die richtigen Maßnahmen setzt, dann könnten Tragödien wie diese künftig vermieden werden. Aber dazu benötigt es Aufklärungsarbeit und den Umstand, dass wir Menschen endlich wieder hinschauen. Wir leben in einer Welt, in der jeder immer nur wegschauen will. Außer, es geht um irgendeine Mascara oder die nächsten falschen Wimpern, die auf Sozial Media angepriesen werden, da wird natürlich hingeguckt. Aber bei den wichtigen Sachen schauen die meisten weg. Hätte jemand auf Arthur geschaut, hätte dieser mitbekommen können, dass er Hilfe gebraucht hätte. Und hätte es dann noch jemanden gegeben, der ihm diese Hilfe zukommen hätte lassen, dann hätte man diesen Amoklauf verhindern können. So können wir nur aus diesen Fehlern lernen, und hoffen, dass die Gesellschaft endlich wieder aufwacht, hinsieht und auch dementsprechend handelt. Aber ob ich da nicht zu viel Verlange?


Mein Mitgefühl gehört allen, die einen Verlust zu betrauern haben und auch jenen, die vor Ort dabei waren. Ich wünsche allen Beteiligten die beste Hilfe und das größte Maß an Stärke, um durch diese dunkle Zeit zu kommen.


In diesem Sinne, alles Liebe!

Eure RATH-Geberin

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